SCHOLLENBERGER Trainees berichten - Vol. 2
In der Reihe "SCHOLLENBERGER Trainees berichten" gibt Sven Bartholomäus Einblicke in die Kampfmittelbergung auf der Großräumstelle Bombodrom Wittstock und die Streumunitionssuche in der Kyritz-Ruppiner-Heide.
Über Sven Bartholomäus:
Nach dem Studium der Geowissenschaften an der Universität Göttingen bin ich im September 2018 als Trainee bei der SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung GmbH im Bereich Projektmanagement angestellt worden. Während meines zweieinhalbjährigen Trainee-Programms hatte ich die Möglichkeit an den verschiedenen Stationen des Programms wie bei der Vermessung und EDV, bei der Dokumentation der Großräumstelle Wittstock, der Angebotskalkulation sowie als Junior-Projektleiter im Raum Niedersachsen Süd Praxiswissen zu erlangen, und mit der Teilnahme am Lehrgang zum Befähigungsscheininhaber §20 SprengG und der dazugehörigen Prüfung, meine Trainee-Zeit erfolgreich zu beenden. Seit April 2021 bin ich als Assistenz der Geschäftsführung und Projektleiter bei der SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung GmbH tätig.
Über das Projekt
Bei der Kyritz-Ruppiner-Heide handelt es sich mit ca. 700 km² um eine der größten zusammenhängenden Heideflächen Europas. Auf dieser Fläche befand sich von 1952 bis 2011 ein etwa 120 km² großer Truppenübungsplatz. Dieser wurde bis 1992 von sowjetischen Streitkräften für Luft- und Bodenschießübungen genutzt. Während dieser Jahre kam es zum Einsatz von mehreren tausend Tonnen Munition mit einer entsprechend hohen Anzahl Blindgängern.
Unter diesen Blindgängern befinden sich auch verschiedene Munitionstypen der international geächteten Streumunition. Hierbei handelt es sich um konventionelle Munition, welche über eine Mutterbombe kleinere Sprengkörper – sogenannte Submunition – freigibt und über eine Fläche verstreut. Diese Blindgänger, welche häufig mit Spielzeug verwechselt werden, sind sehr sensibel und aufgrund ihrer geringen Größe häufig schwer auffindbar.
Durch den Beitritt zum Oslo-Übereinkommen vom 01.10.2010, welches den völkerrechtlichen Vertrag zum Verbot von Streumunition darstellt, verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland die eigenen Ländereien von diesem Munitionstyp zu säubern. Jährlich berichten hierbei die 110 Mitgliedsstaaten des Abkommens im Rahmen der Vereinten Nationen in Form eines Reports über Fortschritte in der Streumunitionsräumung, weshalb dieses Projekt auch international stark im Fokus steht.
Die Räumung der ca. 11 km² Verdachtsfläche von Streumunition wurde im Februar 2018 im Rahmen der Vergabe VOEK 236/16 von der SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung GmbH mit einem kleinen Team von 11 Personen begonnen. Ein stetiger Personalzuwachs war aufgrund der Flächengröße durch den Auftraggeber gewünscht, weshalb die SCHOLLENBERGERKampfmittelbergung GmbH heute mit bis zu 80 Personen, 5 Baggern und zwei Radladern auf dem Gelände ansässig ist.
Das Personal vor Ort setzt sich aus einem Räumstellenleiter und dessen Vertreter, zwei Dokumentatoren, einem Munitionstruppführer, zehn Truppführern, 7 Maschinenführern und 58 Räumarbeitern (Sondenführer und Munitionsräumarbeiter) zusammen. Das Führungsteam wird vor Ort zusätzlich noch durch eine organisatorische sowie technische Assistenz unterstützt. Für das Jahr 2022 ist ein weiterer Personalzuwachs geplant.
Im April 2021 wurde die Räummaßnahme durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben unter der Vergabenummer VOEK 309-20 in drei Losen neu ausgeschrieben, wobei sich die SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung GmbH für das Los 2 mit einem Auftragsvolumen von über 30 Mio. Euro und einer Laufzeit bis 2025 einen Zuschlag sichern konnte. Durch den Vertragswechsel im August 2021 bestand für die Firma die Möglichkeit in eine neue Baustelleneinrichtung zu investieren, weshalb sich SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung GmbH nun stolz mit einem modernen und ergonomischen Baustellencamp präsentieren kann.
Die Kampfmittelräumung selbst erfolgt größtenteils mit aktiven Suchsystemen und ist bis zu einer Tiefe von 30 cm unter Geländeoberkante begrenzt. Grund hierfür ist die reine selektive Suche nach Streumunition, von der eine geringe Eindringtiefe zu erwarten ist. Dennoch müssen regelmäßig auf Grund störender Messwerteinflüsse auch große Bomben, Granaten und Raketen geborgen werden, welche häufig tiefer liegen.
Bis zum Vertragswechsel im August 2021 konnten etwa 200 ha der Streumunitionsverdachtsfläche durch die SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung GmbH beräumt werden. Gemäß Jahresbericht 2020 an die vereinten Nationen konnten insgesamt 4.835 Streumunitionsblindgänger bestehend aus fünfzehn Streumunitionsarten aufgefunden und kontrolliert durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst Brandenburg vernichtet werden (aktuelle Zahlen obliegen noch der Geheimhaltungserklärung). Die Vernichtung dieser sensiblen Munition erfolgt vor Ort auf dem Gelände.
Neben der Streumunition wurden als „Beifang“ rund 8.500 weitere Kampfmittel sowie etwa 120.000 Teile Munitionsschrott geborgen. Hinzu kommen mehrere hunderte Tonnen von Splittern.
Diese hohe Kampfmittelbelastung stellt eine besondere Herausforderung vor Ort dar, da Teilbereiche des Geländes auf Grundlage neu erlangter Kenntnisse im Zuge der Räumung ständig neu bewertet werden müssen. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesforstbetrieb Westbrandenburg sowie der zuständigen Bauüberwachung arbeiten wir daher stetig an sicherheits- und prozessoptimierten Räumverfahren, was sich beispielsweise in der bei SCHOLLENBERGER Kampfmittelbergung GmbH gut angenommenen Rettungstonne oder einem Bagger zur Volumenräumung mit ausgestattetem Kamerasystem und Bildübertragung per Funk zum Truppführer widerspiegelt.
Neben der Gesamtkoordination vor Ort besteht eine der weiteren großen Aufgaben in der Aufrechterhaltung unserer Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen. Bei der hohen Belastung von Blindgängern ist ein ständiger und täglicher Umgang mit Fundmunition unumgänglich. Dies ist in vielen Bereichen unserer Branche (Baubegleitung, EDV-Aufzeichnung, Tiefensondierung) nicht alltäglich. Besonders die teilweise nur tennisballgroße Streumunition birgt die Gefahr verharmlost zu werden. Durch stetige Anpassungen unserer Gefährdungsbeurteilung und Unterweisungen sowie die Umsetzung der täglichen Last-Minute-Risk-Analyse (LMRA) beugen wir diesem Risiko vor und konnten bisher ohne Unfälle im Zusammenhang mit Fundmunition auf dem Gelände arbeiten.
Die aktuell gekennzeichnete Verdachtsfläche soll nach Möglichkeit im Jahr 2025 von Streumunitionsrückständen befreit sein. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, lässt sich aufgrund der verbleibenden Fläche sowie den stark variierenden Störkörperbelastungen nur schwer sagen. Gleichzeitig muss nach Abschluss eine Bewertung stattfinden, ob aufgrund von eventuellen Funden im Randbereich eine Erweiterung der Verdachtsfläche stattfinden muss. Es ist daher durchaus möglich, dass eine erneute Ausschreibung über das Jahr 2025 hinaus verfasst wird.